Nicht alle, aber viele verletzt es, wenn die Begriffe Selbstmord oder Selbstmörder benutzt werden, denn in ihren Augen ist der Verstorbene nie ein grausamer Verbrecher gewesen, und es belastet sie, wenn andere nun so über den geliebten Menschen sprechen oder denken. Sie möchten gern sein oder ihr Ansehen bewahren, haben aber oft nicht die Kraft, dafür zu kämpfen und in Gesprächen auf die sie belastende Wortwahl hinzuweisen. Fallen die Worte, führt es meist dazu, dass sich Trauernde unverstanden fühlen und zurückziehen. Die Bezeichnungen Selbstmord und Selbstmörder haben dazu beigetragen, dass Selbsttötungen in unserer Gesellschaft als schwere Sünde angesehen wurden (und zum Teil noch immer werden), wodurch sich Betroffene oft genötigt sahen, die wahre Todesursache zu verheimlichen. Auch heute haben noch viele Hinterbliebene nach einem Suizid das Gefühl, dass die Tat auf sie abgefärbt hat und man nun auch über sie schlecht denkt und spricht. Selbstmordgedanken / Gedanken an Selbstmord / Suizid. Nicht wenige fühlen sich stigmatisiert und ausgegrenzt, und viele erfahren vom sozialen Umfeld tatsächlich keine oder nur sehr wenig Unterstützung.
In der Nacht zum 1. Mai 1945 entschied sich das Schicksal von Demmin. Am Tag der Arbeit – seit der Oktoberrevolution 1917 einer der wichtigsten Feiertage der Sowjetunion – sorgte eine Handvoll sowjetischer Voraustruppen für ihre eigene Maifeier. Bis kurz vor Kriegsende war Demmin weitestgehend unversehrt geblieben, keine einzige Bombe war auf das Städtchen gefallen, die Bomberverbände flogen stets vorüber, weiter nach Anklam, Stettin oder Berlin. Demmin war ein Refugium mitten im deutschen Untergang. Adolf-Hitler-Straße mit Luisentor vor dem Zweiten Weltkrieg Quelle: picture alliance / arkivi Die einzigen Detonationen, die die Demminer hörten, waren jene, die am 30. April 1945 durch die Stille schallten, als Soldaten der Wehrmacht hinter sich erst die Kahlenbrücke, dann eine weitere Peenebrücke und schließlich die Tollensebrücke sprengten. Es waren die Brücken nach Westen – die Fluchtwege, die letzte Hoffnung der Menschen dort. Die Wehrmacht hatte das von Flüchtlingen aus dem Osten überlaufene Städtchen aufgegeben.
Doch die an diesem Montag gezählten Toten sollen erst der Beginn der Tragödie sein. Am Nachmittag des 30. April ist Demmin von den sowjetischen Truppen besetzt. Zwei kurze Schusswechsel hat es gegeben, die Panzerbrigaden der 65. Armee sollen den deutschen Truppen weiter in Richtung Rostock nachjagen, doch sie stauen sich in dem Örtchen, dafür sorgen die zerstörten Brücken. Die Demminer, die geblieben sind, hängen weiße Bettlaken aus ihren Fenstern. Viele der Frauen – die Männer, die noch in der Stadt sind, sind alt oder versehrt – beschmieren ihre Gesichter mit Ruß, machen sich hässlich und hoffen, so getarnt, davonzukommen. Auch zu ihnen ist vermutlich durchgedrungen, welche Art von Krieg die Deutschen in der Sowjetunion geführt haben – und was oft der Preis des siegreichen sowjetischen Vormarschs ist. Zur selben Zeit nimmt sich im 200 Kilometer entfernten Berlin Adolf Hitler das Leben. Lesen Sie auch Nun erfahren auch die Demminer die brutale Härte dieses Krieges. Als die Rote Armee in ihrer Stadt zum Stehen kommt, werden Häuser niedergebrannt und Frauen vergewaltigt.