Die Umstände die sie umgeben verwehren dem Prinz und der Prinzessin ihr Glück. Diese Erkenntnis, die sie beide erlangen, als sie unabhängig voneinander vor der Hochzeit fliehen, erschafft ihnen nicht die Möglichkeit ihre Umwelt zu verändern. Nun wird das Reisemotiv verkehrt, indem sie bestrebt sind "Capri" [15] zu ihnen ins Land zu verschaffen. Die Sehnsucht nach Veränderung bleibt, sie wird nicht mehr in Italien, in der Fremde gesucht. Etwas Neues entsteht nicht, die Natur wird kopiert, nicht mehr. [... ] [1] Georg Büchner: Leonce und Lena. Studienausgabe. Hg. Von Burghard Dedner, Thomas Michael Mayer. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2003, S. 21. [2] Georg Büchner: Leonce und Lena. Stuttgart: 2003, S. 8 [3] Georg Büchner: Leonce und Lena. 16 [4] Ebd.. [5] Georg Büchner: Leonce und Lena. 8. [6] Georg Büchner: Leonce und Lena. 22. [7] Georg Büchner: Leonce und Lena. 32. [8] Georg Büchner: Leonce und Lena. 15 [9] Georg Büchner: Leonce und Lena. 27 [10] Georg Büchner: Leonce und Lena. 29 [11] Georg Büchner: Leonce und Lena.
Im Gegensatz zur Satire ist der Parodie eine Stück Verehrung gegenüber dem parodierten Vorbild eigen. 6. Es spricht alles dafür, 'Leonce und Lena' vor allem als soziale und politische Stellungnahme zu lesen, eine - resignative - Stellungnahme zur schlechten Wirklichkeit in Zeiten von Armut, brutaler Reaktion, allgegenwärtiger Zensur und der historischen Überlebtheit der herrschenden Klasse. "Ich glaube, man muß in socialen Dingen von einem absoluten Rechts grundsatz ausgehen, die Bildung eines neuen geistigen Lebens im Volk suchen und die abgelebte moderne Gesellschaft zum Teufel gehen lassen. Zu was soll ein Ding, wie dieße, zwischen Himmel und Erde herumlaufen. Das ganze Leben desselben besteht nur in Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben. Sie mag aussterben, das ist das einzig Neue, was sie noch erleben kann. " (Büchner an tzkow, Juni 1836) 7. Unter diesem Vorzeichen ist nicht nur die sozialpolitische Lage im Reiche Popo zu sehen, sondern auch die Identitätsproblematik der Hauptfiguren: Sie sind verzweifelt bemüht, eine innere Leere durch über(ge)zogene Identitäten zu be-kleiden: Siehe König Peters Ankleidungsszene, mit jedem Kleidungsstück kommt eine Kantsche Kategorie der reinen Vernunft hinzu; Lena möchte sich als Naturwesen verstehen, Leonce als tiefsinniger Melancholiker: Übergestülpte Identitäten, Masken, hinter denen nur neue Masken hervorkommen, vgl. Valerios Auftritt in III, 3: Peter: Wer seid ihr?
Er wünscht sich in seinem Selbstmitleid, die von ihm geforderte Disziplin. [2] Doch auch die Vernunft im Geiste der Aufklärung verspricht hier keine Lösung. Auch für Erinnerungen hat er keine Gefühle. Banal und zynisch kommentiert er Valerios Vorschlag Gelehrte zu werden. Die Rolle die ihm zugedacht wird, als Sohn eines Königs, missfällt ihm derart, dass er nur noch darüber scherzen kann. Doch diese vorgetäuschte Heiterkeit wirkt nicht echt, zu stark leidet er in Momenten in denen er allein ist mit seinem Schicksal, denn, das Denken, die Poesie und das Philosophieren ist für Leonce eine Fähigkeit, die er mit Bedauern nicht beherrscht: "Mein Leben gähnt mich an, wie ein großer weißer Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe keinen Buchstaben heraus. Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte Rosen und zerknitterte Bänder auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke, die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit to< d >tmüden Augen einander an. "
– um? Leonce Um die Kirschen durch die Löcher in deinen Hosen schamroth zu machen! Aber Edelster, dein Handwerk, deine Profession, dein Gewerbe, dein Stand, deine Kunst? Valerio (mit Würde) Herr, ich habe die große Beschäftigung, müßig zu gehen, ich habe eine ungemeine Fertigkeit im Nichtsthun, ich besitze eine ungeheure Ausdauer in der Faulheit. Keine Schwiele schändet meine Hände, der Boden hat noch keinen Tropfen von meiner Stirne getrunken, ich bin noch Jungfrau in der Arbeit, und wenn es mir nicht der Mühe zu viel wäre, würde ich mir die Mühe nehmen, Ihnen diese Verdienste weitläufiger auseinanderzusetzen. Leonce (mit komischem Enthusiasmus) Komm an meine Brust! Bist du einer von den Göttlichen, welche mühelos mit reiner Stirne durch den Schweiß und Staub über die Heerstraße des Lebens wandeln, und mit glänzenden Sohlen und blühenden Leibern gleich seligen Göttern in den Olympus treten? Komm! Komm! Valerio (singt im Abgehen) Hei! da sitzt e Fleig an der Wand! Fleig an der Wand! Fleig an der Wand!
Valerio (stellt ich dicht vor den Prinzen, legt den Finger an die Nase und sieht ihn starr an) Ja! Leonce (eben so) Richtig! Valerio Haben Sie mich begriffen? Leonce Vollkommen. Valerio Nun, so wollen wir von etwas Anderm reden. (Er legt sich ins Gras. ) Ich werde mich indessen in das Gras legen und meine Nase oben zwischen den Halmen herausblühen lassen und romantische Empfindungen beziehen, wenn die Bienen und Schmetterlinge sich darauf wiegen, wie auf einer Rose. Leonce Aber Bester, schnaufen Sie nicht so stark, oder die Bienen und Schmetterlinge müssen verhungern über den ungeheuren Prisen, die Sie aus den Blumen ziehen. Valerio Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur habe! Das Gras steht so schön, daß man ein Ochs sein möchte, um es fressen zu können, und dann wieder ein Mensch, um den Ochsen zu fressen, der solches Gras gefressen. Leonce Unglücklicher, Sie scheinen auch an Idealen zu laboriren. Valerio Es ist ein Jammer. Man kann keinen Kirchthurm herunterspringen, ohne den Hals zu brechen.
Man kann keine vier Pfund Kirschen mit den Steinen essen, ohne Leibweh zu kriegen. Seht, Herr, ich könnte mich in eine Ecke setzen und singen vom Abend bis zum Morgen: »Hei, da sitzt e Fleig an der Wand! Fleig an der Wand! Fleig an der Wand! « und so fort bis zum Ende meines Lebens. Leonce Halt's Maul mit deinem Lied, man könnte darüber ein Narr werden. Valerio So wäre man doch etwas. Ein Narr! Ein Narr! Wer will mir seine Narrheit gegen meine Vernunft verhandeln? Ha, ich bin Alexander der Große! Wie mir die Sonne eine goldne Krone in die Haare scheint, wie meine Uniform blitzt! Herr Generalissimus Heupferd, lassen Sie die Truppen anrücken! Herr Finanzminister Kreuzspinne, ich brauche Geld! Liebe Hofdame Libelle, was macht meine theure Gemahlin Bohnenstange? Ach bester Herr Leibmedicus Cantharide, ich bin um einen Erbprinzen verlegen. Und zu diesen köstlichen Phantasieen bekommt man gute Suppe, gutes Fleisch, gutes Brod, ein gutes Bett und das Haar umsonst geschoren – im Narrenhaus nämlich –, während ich mit meiner gesunden Vernunft mich höchstens noch zur Beförderung der Reife auf einen Kirschbaum verdingen könnte, um – nun?