Ein Betroffener, der sich auf den aktuellen Brief von Rektor Klaus Mertes hin ebenfalls gemeldet hat, sagt, er sei mehrfach von einem der beiden nun Beschuldigten missbraucht worden. Dieser Pater habe starken psychischen Druck auf ihn ausgeübt, so dass sich der Missbrauch über Jahre hinzog. Die Vorfälle hätten seine Schulzeit dort sehr geprägt – damals habe er jedoch mit niemandem darüber gesprochen. Später nahm der Mann, der noch in Berlin lebt, therapeutische Hilfe in Anspruch. Ein anderer Ex-Gymnasiast, der heute in Berlin im mittleren Management eines Großunternehmens arbeitet, spricht von "echten Sadisten" unter den Lehrern der Schule. Wer von Euch hat früher noch den Hintern versohlt bekommen? - Seite 23 - Lovetalk.de. Ausgerechnet die zwei weltlichen, also nicht dem Orden angehörenden Lehrer seien anständig gewesen, berichtet der Mann. Geprügelt hätten auch Lehrer, die derzeit nicht wegen Missbrauchs in der Kritik stehen. Unter anderem ist ein inzwischen verstorbener Religionslehrer in den 60er Jahren offenbar mehrfach gewalttätig geworden. Schüler vor der ganzen Klasse mit bloßem Hintern über das Knie zu legen und zu "verdreschen", sei üblich gewesen.
Es habe aber auch unter Schülern einen Korpsgeist gegeben. Über seine Zeit am Elitegymnasium erzählt auch ein früherer Rektor. Als Hermann Breulmann 1996 von Bonn nach Berlin zog und am Canisius-Kolleg anfing, habe er nicht nachgefragt, ob es schon mal irgendwelche Missbrauchsfälle gegeben habe. "Wenn ich heute eine Schule übernehmen würde, würde ich das natürlich fragen und mir Akten zeigen lassen. Aber Mitte der 90er Jahre hatten wir das Thema in Deutschland überhaupt nicht auf dem Schirm", sagt Breulmann, der heute an der Jesuitenkirche St. Michael in München tätig ist. Er sei in den Jahren zuvor viel in den USA gewesen. Dort sei man damals schon sensibler gewesen. "Ich habe das interessiert zur Kenntnis genommen, aber als typisch USA abgelegt. " Ob er sich vorstellen kann, warum solche Vergehen jahrelang unentdeckt blieben? Canisius-Kolleg: Vor der Klasse Schläge auf den nackten Hintern - Berlin - Tagesspiegel. Ob zu sehr weggeschaut wurde innerhalb der Schule? Oder innerhalb des gesamten Ordens? Als er ans Canisius-Kolleg kam, sei die Schule schon ein sehr eigenes "Biotop" gewesen, sagt Pater Breulmann, "vergleichbar vielleicht mit der Landowsky-CDU" – eine Anspielung auf den geschlossenen autoritären Charakter der Westberliner Christdemokraten.
Der katholische Jesuitenorden kommt nicht zur Ruhe, die ehemaligen Schüler seiner Gymnasien treibt die Vergangenheit ebenfalls um. Immer mehr Ex-Schüler des Canisius-Kollegs melden sich, wollen über ihre Zeit in dem Haus sprechen. Einer von ihnen berichtet, dass Schüler scheinbar grundlos ins Büro des Paters gerufen worden sind. Es habe deshalb Gerüchte gegeben – auch über sexuelle Handlungen. Prügelstrafen hingegen habe es ganz offen gegeben, auch nachdem sie in der Bundesrepublik 1973 verboten worden waren. Ein Ehemaliger berichtet dem Tagesspiegel von einer "rigiden Stimmung" und einem bedrückenden Klima. Heute 41 Jahre alt, hat Daniel Müller* am Canisius-Kolleg sein Abitur gemacht, von 1979 bis 1989 war er dort Schüler. "Gerüchte gab es im Prinzip die gesamte Schulzeit über", sagt Müller. Immer auf den blanken de. Sie hätten insbesondere einem der Patres gegolten. Einer seiner Mitschüler habe Nachhilfeunterricht bei diesem Lehrer bekommen, "und da muss etwas gewesen sein". Der Mitschüler habe jedoch nie darüber gesprochen – vermutlich aus Angst.